Eine reibungslos ablaufende Produktionsstruktur, die völlig ohne menschliches Eingreifen auskommt, ist wohl der Traum eines jeden Unternehmers. Man könnte sich zurücklehnen und die Maschinen einfach sich selbst überlassen im Vertrauen darauf, dass nichts schiefgehen wird. Doch die Realität sieht leider meist ganz anders aus: Verschleiß, ungenügende Qualität oder übermäßige Belastungen sind nur einige der Gründe, warum Maschinen ausfallen können. Im besten Fall ist dann natürlich sofort ein Ersatzteil zur Hand, sodass der Produktionsstillstand schnell überwunden werden kann und sich der finanzielle Schaden im Rahmen hält.

Intelligentes Ersatzteilmanagement

Logischerweise sollten deshalb im Ersatzteillager immer genügend Reserven verfügbar sein, um auf solche Ereignisse reagieren zu können. Allerdings ist das effiziente Managen des Ersatzteillagers nicht so einfach, wie es naiverweise den Anschein haben mag. Natürlich könnte man auf Nummer sicher gehen und für jede Maschine immer alle entsprechenden Ersatzteile bereithalten. Was bei einer einzigen Produktionsanlage sicherlich sinnvoll ist, wird schnell ad absurdum geführt, wenn man einen größeren Maschinenpark mit Geräten gleicher Bauart unterhält. Denn das Lagern von Hunderten baugleicher Ersatzteile kann leicht zu Platzproblemen und hohen Kosten führen. Ist eine Reparatur dann auch noch entsprechend selten, kann es durchaus sein, dass die Ersatzteile durch die lange Lagerung degradiert und nicht mehr einsatzfähig sind, wenn es zu einem Ausfall kommt.

Ein intelligentes Ersatzteilmanagement muss also eine sinnvolle Balance zwischen Absicherung und Kosteneffizienz finden. Die Anzahl der bereitgehaltenen Teile sollte möglichst gering sein, um den Platzverbrauch zu minimieren, allerdings auch nicht so klein, dass eine ungünstige Verkettung von Reparaturereignissen zu einem Betriebsstillstand führt. Hat man nun einen großen Maschinenpark mit Hunderten oder Tausenden dazugehörigen Einzelteilen, die jeweils unterschiedliche Ausfallraten haben, so kann das Ersatzteilmanagement zu einer äußerst komplexen Angelegenheit werden.

Glücklicherweise erlaubt die fortschreitende Digitalisierung hierbei ein zunehmend effektiveres Ersatzteilmanagement umzusetzen. Durch die kontinuierliche Messung von Sensoren, lückenlose Überwachung der Produktionsqualität oder das automatisierte Auswerten von Wartungsprotokollen, können die zugrundeliegenden Prozesse intelligent („smart“) und effizient („lean“) angepasst werden. Zusätzlich können die Daten genutzt werden, um Teile auszutauschen, bevor sie ausfallen („predictive maintenance“). Dies ermöglicht eine Umsetzung des Ersatzteilmanagements, wie sie vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre.

Die Implementierung solcher Systeme ist dabei allerdings nicht unkompliziert, denn es gilt, eine Menge individueller Faktoren zu berücksichtigen, die jeweils auf die spezifischen Kundenbedürfnisse angepasst werden müssen. Dies lässt sich anhand eines Beispiels gut erklären: Stellen wir uns eine Firma vor, die zwei verschiedene Maschinentypen benötigt, um ein bestimmtes Produkt herzustellen. Für beide Maschinentypen sollen nun Ersatzteile eingelagert werden, um einen Produktionsausfall zu verhindern. Aufgrund der bisher gesammelten Daten ist bekannt, dass die Bauteile des ersten Maschinentyps viel schneller verschleißen als die des zweiten Typs. Ersatzteile für den ersten Typ werden allerdings im näheren Umkreis gefertigt, während Ersatzteile für den zweiten Typ erst aus dem Ausland beschafft werden müssen. Um eine optimale Lagermenge zu erreichen, könnte ein implementiertes Ersatzteilmanagement nun wie folgt vorgehen: Die Menge für den ersten Typ wird hauptsächlich anhand der durchschnittlichen Ausfallrate bestimmt, während für die Menge des zweiten Typs die durchschnittliche Lieferdauer die größte Rolle spielt. Dieses Beispiel ist natürlich stark vereinfacht – oft müssen deutlich mehr als zwei Faktoren gegeneinander abgewogen werden.

Mathematische Optimierung

Doch was passiert dabei eigentlich genau hinter den Kulissen des implementierten Systems? Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass die eingebauten Überwachungssysteme hauptsächlich dazu beitragen, Daten über den maschinellen Zustand zu erzeugen und zu sammeln. Je größer die Anzahl der zu wartenden Maschinen ist, desto schwieriger wird es allerdings, sich einen sinnvollen Überblick über diese Daten zu verschaffen. Hier kommt nun eine effiziente Verzahnung mit mathematischen Methoden ins Spiel, denn das Analysieren von Wahrscheinlichkeiten und das Berechnen der bestmöglichen Szenarien ist damit auch für sehr große und unübersichtliche Datenmengen möglich.

Der Teilbereich der Mathematik, der sich mit solchen Problematiken beschäftigt, nennt sich mathematische Optimierung. Hierunter fallen auch zahlreiche Methoden, die häufig mit den Schlagwörtern „Machine Learning“ oder „Künstliche Intelligenz“ assoziiert werden. Das zugrundeliegende Problem ist dabei immer die Berechnung eines optimalen Szenarios, welches von vielen verschiedenen Einflussfaktoren abhängig ist. So sind z. B. beim effizienten Ersatzteilmanagement die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Bauteils, die Lagerungskosten und die Lieferungsdauer alles Faktoren, welche ein Modell berücksichtigen sollte.

Aus mathematischer Sicht ist dabei besonders interessant, dass das Optimieren über mehrere Faktoren zu den sogenannten nicht-trivialen Problemen gehört. Ist ein Problem nicht-trivial, heißt dass, dass es keinen allgemeinen Lösungsansatz gibt, den man ohne weitere Überlegungen einfach verwenden kann. Vielmehr muss die mathematische Optimierung die betriebswissenschaftlichen Überlegungen aufgreifen und die verschiedenen Faktoren müssen gewichtet werden, um eine geeignete Lösung zu finden. Welche Lösung als optimal erachtet wird, hängt somit dann immer von der gewählten Gewichtung ab.

Wird eine mathematische Evaluation zur Ersatzteilmanagement dauerhaft implementiert, erlaubt sie sogar, den Bedarf dynamisch an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen. So kann z. B. die tatsächlich gemessene Ausfallquote dahingehend genutzt werden, den Vorrat an Ersatzteilen wochengenau hoch- bzw. herunterzufahren. Dies erlaubt, im laufenden Betrieb immer wieder dynamische Anpassungen vorzunehmen, die den tatsächlichen Bedarf widerspiegeln und dadurch die Kosten minimal zu halten. Effizient implementieren kann man ein solches System durch einen Teilbereich der künstlichen Intelligenz, welchen man als Reinforcement Learning bezeichnet.

Gerade aufgrund der Komplexität der zugrundeliegenden mathematischen Strukturen sollten diese Umsetzungen allerdings nur von Fachleuten ausgeführt werden, die sich im Bereich der mathematischen Optimierung gut auskennen. Auch die effiziente Implementierung und Automatisierung muss von Fall zu Fall unterschiedlich gehandhabt werden, denn die eine Musterlösung gibt es nicht.

Automatisierung: Was müssen Sie beachten?

Zu guter Letzt sollte aber auch ein weiterer, oft vernachlässigter Faktor berücksichtigt werden: Das Vertrauen in das automatisierte Ersatzteilmanagement. Denn auch wenn das implementierte System beeindruckende Leistungen erbringen mag, ist es doch nur eine Maschine – und unterliegt damit auch einer gewissen Fehlerwahrscheinlichkeit. Deswegen ist es wichtig, zu wissen, wie das System im Einzelnen funktioniert. Aus unserer Erfahrung sind deshalb ganz klar graduelle Implementierungen eines automatisierten Ersatzteilmanagements zu empfehlen: Nur ein System, das zusammen mit den verantwortlichen Mitarbeitern wächst, kann das benötigte Wissen und Vertrauen erzeugen. In diesen Fällen ist dann auch immer eine kompetente Fachkraft zur Stelle, sollte es dann wirklich einmal zu einem Ausfall des Ersatzteilmanagementprogramms kommen – und der Fehler kann dann „manuell“ schnell behoben werden.

 

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Veröffentlich am 2.7.2020

Thema: Data Science, Industrie 4.0, Advanced Analytics, Maintenance, Ersatzteilmanagement